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200 Jahre Fahrrad - ein Rückblick

12.01.2017
Fast Zweihundert Jahre sind vergangen, seit Karl Drais sein „Vélocipède“ 1817 in Frankreich patentierte. Die Erfindung war, laut Drais‘ eigenen Worten, inspiriert von Schlittschuhen, bei der Namensgebung lehnte er sich an ein altes deutsches Sprichwort an („sich auf seinen Schnellfuß machen“).

Später wurde diese Laufmaschine auch häufig als „Draisine“ betitelt. Sie wird heute gemeinhin als der Vorläufer des heutigen Fahrrads angesehen. Ein Gefährt, das nur über zwei hintereinander laufende Räder verfügte, war bis dato einzigartig gewesen.

Teilweise war seine Erfindung aus der Not geboren, da Hungersnöte und Futtermangel das Halten eines Pferdes für viele unerschwinglich machten. Ein Ausbruch des Vulkans Tambora östlich von Bali hatte 1816 zu einme „Jahr ohne Sommer“ gemacht, in dem ganze Ernten ausfielen.
Da die damaligen Fahrspuren uneben und schmutzig waren, war ein Fahren und Balancieren auf der Draisine lediglich auf den Bürgersteigen möglich, was alsbald zu Konflikten mit den Fußgängern führe. Bereits 1817 wurde das Fahren auf den Bürgersteigen in Mannheim verboten, 1818 folgte Mailand und 1819 New York und Kalkutta.


Die Draisine besaß keine Pedale – die durch Abstoßen der Füße vom Boden erzeugte Antriebskraft wurde über eine Unterarmstütze auf das Gefährt übertragen. Sie wog 20 Kilogramm und damit in etwa so viel wie ein heutiges Hollandfahrrad. Die Räder maßen beide 27 Zoll und am Hinterrad befand sich eine Schleifbremse. Auch Gepäckträger oder Packtaschen ließen sich optional bereits einbauen. Der Begriff des „Fahrrads“ existierte jedoch noch nicht.

Die guten Ernten der folgenden Jahre und das Aufkommen der Eisenbahn verdrängten die Draisine teilweise wieder aus dem öffentlichen Bewusstsein.

Romantisches Fahrrad

Das Zweirad mit Tretkurbel wurde wahrscheinlich parallel von Pierre Michaux und seinem Sohn Ernest sowie Pierre Lallement im Jahr 1862 erfunden. 1865 wanderte Lallement in die USA aus und lies sich dort ein Zweirad mit Tretkurbelantrieb patentieren. In der Folge gingen verschiedene Erfinder in Europa und den USA dazu über, die Zweiräder so zu bauen, dass die Füße den Boden nicht mehr berührten. Es kam zu einer Art Boom. Schon 1868 gab es in Deutschland 37 verschiedene Hersteller, in den USA wurden über 100 Patente angemeldet. Vollgummireifen kamen in Mode, und verschiedene Konfigurationen von Pedalen, Schaltungen, Lenker- und Sattelpositionen, Tangential- und Radialspeichen wurden ausgetestet. Auch Karl Benz, einer der Erfinder des Automobils, fuhr ein Zweirad.

Durch Verwendung von Stahlspeichen und Hohlrahmen konnten Zweiräder größer und zugleich leichter gefertigt werden. Es wurden Hochräder gebaut, vornehmlich in England. Das erste Zweirad mit Kettenantrieb des Hinterrades erfand Harry John Lawson im Jahr 1879.
Der Begriff des „Fahrrads“ wurde erst im Jahr 1885 durch die deutschen Radfahrervereine eingeführt. Doch erst zu Zeiten der Weimarer Republik setzte sich der Begriff im Volksmund durch.

Da der Preis eines Fahrrads erschwinglich war, wurde es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum ersten massentauglichen Individualverkehrsmittel. 1936 legten in den deutschen Großstädten teilweise über 60 % der Arbeiter ihre mancherorts weiten Arbeitswege damit zurück. Erst in den Sechzigerjahren wurde es allmählich von Motorrädern und später Automobilen verdrängt. Grundsätzlich spielt das Fahrrad in Entwicklungs- und Schwellenländern immer eine große Rolle als Fortbewegungsmittel, insbesondere in der Arbeiterklasse. Die hält für gewöhnlich so lange an, bis aufkommender Wohlstand vermehrt Autos auf die Straßen bringt.

Fahrradparadies

Die Ölkrise der Siebzigerjahre sowie ein wachsendes ökologisches Bewusstsein führten dazu, dass das Fahrräder in Europa wieder verstärkt in Mode kam. Insbesondere in Großstädten spielen Fahrräder seither wieder eine große Rolle im Straßenverkehr. Viele Städte stellten sich darauf ein, indem vermehrt Fahrradwege und Abstellplätze eingerichtet wurden. In Städten wie Münster und Kopenhagen liegt der Anteil der Fahrradfahrer am gesamten Verkehrsaufkommen bei über 35 %. Da in etwa die Hälfte aller zurückgelegten Wege in Großstädten kürzer als fünf Kilometer sind, eignen sich Fahrräder perfekt dafür. Weil es in vielen öffentlichen Verkehrsmitteln gestattet ist, Fahrräder mitzunehmen, ist auch die Kombination aus öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrad eine gute Lösung.

Kaum eine Fortbewegungsform hat einen so effizienten Wirkungsgrad wie das Fahrrad. Die erforderliche Bewegungsenergie pro transportiertem Körpergewicht und zurückgelegter Distanz ist nirgendwo sonst so gering. Das Körpergewicht wird dabei gerollt und nicht getragen. Der Pedalantrieb mit Kette und Schaltung hat, je nach Qualität des Fahrrads und der verwendeten Materialien, einen Wirkungsgrad zwischen 95 und 99 Prozent. Der Nettowirkungsgrad in Bezug auf die Fortbewegung des menschlichen Körpers liegt beim Fahrradfahren bei 20 bis 28 Prozent, während er beim Laufen bei 20 Prozent und beim Schwimmen etwa bei 3 Prozent angesiedelt ist.

Das Fahrrad ist letztendlich nicht nur eines der ökologischsten, preiswertesten, pflegeleichtesten und praktischsten Fortbewegungsmittel, sondern es bereitet darüber hinaus auch einfach Freude am Fahren. Und das seit nunmehr 200 Jahren.